Soziale Einbindung

Warum ist soziale Einbindung
gesund?

Soziale Einbindung gehört zu unseren Grundbedürfnissen. Mit anderen aktiv zu sein, sich verbunden zu fühlen und Wertschätzung zu erfahren, sind für viele Menschen wichtige Aspekte ihrer Lebensqualität. Ein Netzwerk aus Familie, Freundeskreis oder Nachbarschaft bietet zudem die Chance auf soziale Unterstützung, etwa durch praktische Hilfe, Rat oder Trost.

Soziale Einbindung fördert die psychische und körperliche Gesundheit – und kann helfen, Krankheit und Pflegebedürftigkeit besser zu bewältigen. Umgekehrt stellen Gefühle der ungewollten sozialen Isolation und Einsamkeit erhebliche Gesundheitsrisiken dar.

Wie Sie die soziale Einbindung pflegebedürftiger Menschen unterstützen können, erfahren Sie auf unserer Tipp-Seite.

Soziale Isolation und Einsamkeit im Alter und bei Pflegebedürftigkeit

Wo liegt der Unterschied?

Soziale Isolation bedeutet, dass kaum Kontakt zu anderen Menschen besteht. Dies lässt sich objektiv von außen beobachten. Bei Einsamkeit hingegen handelt es sich um ein subjektives Gefühl. Es entsteht, wenn man Geborgenheit, Zugehörigkeit und Verständnis vermisst. Einsam kann sich also auch fühlen, wer eigentlich viele Kontakte hat.

Wie viele Kontakte und enge Freundschaften jemand haben möchte, kann von Person zu Person unterschiedlich sein. Während den einen ein großer Bekanntenkreis wichtig ist, genügt den anderen vielleicht eine innige Freundschaft. Manche Menschen sind gerne allein – ohne sich dabei einsam zu fühlen.

Wie verbreitet sind soziale Isolation und Einsamkeit?

Um die Häufigkeit sozialer Isolation und Einsamkeit zu erfassen, sind konkrete messbare Anhaltspunkte erforderlich. Hierzulande werden Menschen in Erhebungen zum Beispiel als sozial isoliert gezählt, wenn sie zu weniger als 2 ihnen wichtigen Personen regelmäßigen Kontakt haben. Als einsam gilt in der Regel jemand, wenn die Antworten einer spezifischen Fragenreihe zur Einsamkeit auf mittlere bis starke Einsamkeitsgefühle hindeuten. Demnach sind die meisten Menschen in Deutschland nicht sozial isoliert oder einsam. Das gilt auch für alte und sehr alte Menschen. Dies zeigen Auswertungen des Deutschen Alterssurveys (DEAS). Er untersucht unter anderem die Verbreitung von Einsamkeit in der Gesellschaft durch regelmäßige Befragungen von Personen ab 40 Jahren in Privathaushalten.

Laut dem DEAS steigt mit zunehmendem Alter das Risiko, sozial isoliert zu sein, relativ gleichmäßig an. 2017 betraf das etwa 20 Prozent der zu Hause lebenden 90-Jährigen: Sie hatten nur zu einer oder gar keiner ihnen wichtigen Personen regelmäßig Kontakt.

Das Einsamkeitsrisiko sinkt in der zweiten Lebenshälfte zunächst, bis es im Alter von etwa 70 Jahren wieder ansteigt. Das heißt: Menschen zwischen 46 und 55 Jahren sind etwas häufiger einsam als 66- bis 75-Jährige. Bei 90-jährigen Menschen lag das Einsamkeitsrisiko 2017 bei 11 Prozent, das heißt auf dem gleichen Niveau wie bei 40-Jährigen.

Die Daten zeigen unter anderem, dass das relativ hohe Risiko sozialer Isolation bei Hochaltrigen sich nicht in einem steigenden Einsamkeitsrisiko widerspiegelt. Den Autorinnen und Autoren des DEAS zufolge, könnte dies an veränderten Kontaktbedürfnissen im hohen Alter liegen.

Daten dazu, inwieweit sich ältere pflegebedürftige Menschen sozial isoliert oder einsam fühlen, liegen nur begrenzt vor. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass diese Menschen durch Befragungen nicht gut erreicht werden können. Zudem können sehr pflegebedürftige, möglicherweise kognitiv beeinträchtigte Menschen, meist gar nicht an solchen Befragungen teilnehmen. Bei ihnen könnten Gefühle, einsam und sozial ausgeschlossen zu sein, unerkannt bleiben.

Welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie auf soziale Isolation und Einsamkeit?

Durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie wurden soziale Kontakte erheblich eingeschränkt. Aktuellen Ergebnissen des DEAS zufolge ist das Gefühl, einsam zu sein, bei Menschen ab 46 Jahren im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie deutlich gestiegen . Alte und sehr alte Menschen waren dabei aber nicht stärker von Einsamkeit betroffen als die 46- bis 55-Jährigen. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) weist jedoch darauf hin, dass – bei anhaltender sozialer Isolation – insbesondere ältere Alleinlebende von Einsamkeit bedroht sind. Zudem könnten die Kontaktbeschränkungen in Pflegeheimen zu sozialer Isolation und Einsamkeitsgefühlen bei den Bewohnerinnen und Bewohnern führen.

Welche Risikofaktoren bestehen?

Soziale Isolation und Einsamkeit sind keine typischen Folgen von Alter oder Pflegebedürftigkeit. Jedoch gibt es einige Risikofaktoren für Einsamkeit, die besonders häufig auf ältere und auch pflegebedürftige Menschen zutreffen.

So wird es etwa mit zunehmendem Alter wahrscheinlicher, geliebte und nahestehende Menschen zu verlieren. Kognitive und körperliche Beeinträchtigungen sowie belastende Krankheitssymptome schränken die Möglichkeiten, am sozialen Leben teilzuhaben zum Teil erheblich ein. Probleme beim Gehen, Sehen oder Hören können den Kontakt mit anderen wesentlich erschweren.

Menschen, die weniger als zwei Personen in ihrem Umfeld haben, von denen sie Rat, Trost und Unterstützung erhalten, haben ein deutlich höheres Einsamkeitsrisiko als diejenigen, die auf einen größeren Kreis nahestehender Personen zurückgreifen können. Ein erhöhtes Risiko, sich einsam zu fühlen, haben auch Menschen, die sich insgesamt von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen.

Allgemein lässt sich umgekehrt sagen: Je mehr und häufiger Kontakte gepflegt werden, je größer und stabiler das soziale Netzwerk und je besser die Gesundheit ist, desto weniger einsam sind ältere Menschen.

Welche Folgen können auftreten?

Soziale Isolation und insbesondere Einsamkeit stellen ein hohes Gesundheitsrisiko dar. Dafür gibt es vor allem zwei Erklärungsansätze: Zum einen können gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Stress und negative Gefühle verursacht werden. Zum anderen haben einsame Menschen weniger emotionale Unterstützung sowie Motivatoren zu gesundheitsförderndem Verhalten.

In einer aktuellen wissenschaftlichen Arbeit werden mögliche gesundheitliche Auswirkungen von Einsamkeit im Alter beschrieben. Dazu gehören:

  • Schlafprobleme
  • weniger positive und mehr negative Gefühle
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen, z. B. Bluthochdruck, Schlaganfall
  • ungesundes Verhalten, z. B. Rauchen, Alkoholkonsum
  • Einschränkung körperlicher Fähigkeiten, verminderte Mobilität und Selbstständigkeit
  • Depression, Selbstmordgedanken
  • Alzheimer-Demenz

Beschrieben werden zudem nachteilige Effekte auf das Selbstwertgefühl, das Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit sowie negative Gefühle, etwa Sorgen, Angst oder Misstrauen. Dies kann in einer Art Teufelskreis wiederum die Qualität sozialer Beziehungen negativ beeinflussen.

Auswertungen des DEAS weisen darauf hin, dass sich negative Aspekte der Einsamkeit bei alten Menschen nicht stärker auswirken als bei jüngeren.

Bedeutung sozialer Einbindung

Was ist über Gesundheitseffekte bekannt?

Soziale Unterstützung kann die Auswirkungen von Gefühlen sozialer Isolation oder negativem Stress auf die Gesundheit abmildern. Gleiches gilt für soziale Einbindung, etwa im Freundeskreis oder in Familie, Vereinen oder Freiwilligenarbeit. Soziale Einbindung trägt zu einem Gefühl der Zugehörigkeit bei und kann in vielen Fällen Einsamkeit einschließlich ihrer negativen Effekte vorbeugen.

Welche Bedeutung hat die soziale Einbindung pflegender Angehöriger?

Wenn Angehörige die Pflege übernehmen fehlt es Ihnen mitunter an Zeit, eigene Kontakte zu pflegen und ihren Interessen nachzugehen. In einer bundesweiten Studie gab nahezu ein Viertel der befragten pflegenden Angehörigen an, dass sich die Pflege negativ auf Freundschaften auswirkt. Mehr als jede zehnte Hauptpflegeperson berichtete sogar, nie genug Zeit für den Kontakt mit Familie, Freunden und Nachbarn zu haben. Zudem fühlten sich etwa 12 Prozent meistens oder die ganze Zeit allein und hilflos. Damit sind Risiken der Überlastung, Erkrankung und sozialen Isolation verbunden.

Emotionaler Rückhalt und praktische Hilfen können helfen, bei Pflegeaufgaben zu entlasten und pflegende Angehörige sozial einzubinden. Dies kann dazu beitragen, sozialer Isolation und Einsamkeitsgefühlen vorzubeugen.

Für pflegende Angehörige gibt es eine Reihe von Möglichkeiten zur Entlastung. Neben finanziellen Mitteln sind das beispielsweise Angebote, um Auszeiten von der Pflege zu organisieren sowie Angehörigengruppen für den Erfahrungsaustausch. Hierfür können pflegende Angehörige kostenfrei professionelle Beratung und Hilfen nutzen.

QUELLEN
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AKTUALISIERT
am 12. März 2021

AUTORINNEN
S. Garay, N. Kossatz,
D. Sulmann, D. Väthjunker