Pflege findet in der Regel zu Hause statt. Denn dort leben rund 80 Prozent der Menschen, die in Deutschland im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) pflegebedürftig sind. Das sind etwa 3,3 Millionen Menschen.
Nur bei einem Bruchteil wird die Versorgung ganz oder teilweise von ambulanten Pflegediensten übernommen. In den allermeisten Fällen bewältigen Angehörige die Pflege allein. Außerdem unterstützen Angehörige viele Menschen, die statistisch nicht erfasst sind, weil sie keine Leistungen der Pflegeversicherung erhalten. Im häuslichen Setting gibt es schätzungsweise etwa doppelt so viele private Pflegepersonen wie pflegebedürftige Menschen.
Zwar kommen die meisten pflegenden Angehörigen Studien zufolge mit der Pflegeaufgabe gut zurecht. Gleichzeitig geht die Pflege eines Angehörigen aber oftmals mit psychischen, körperlichen, finanziellen, zeitlichen und sozialen Belastungen einher. Damit die Pflege gut bewältigt werden kann und nicht krank macht, ist Entlastung Pflegender wichtig.
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Belastung durch die Pflege
Welche Belastungen können auftreten?
Welche Folgen können Belastungen haben?
Entlastung von der Pflege
Was kann zur Entlastung beitragen?
Wieso erreichen Angebote Pflegende nicht immer?
Belastung durch die Pflege
Welche Belastungen können auftreten?
Belastungsfaktoren für pflegende Angehörige sind vielfältig. Dazu gehören Faktoren, die unmittelbar mit der Pflege zusammenhängen, etwa Tragen, Heben, Scham oder Ekel. Auch geistige Einschränkungen der pflegebedürftigen Person werden als belastend wahrgenommen. Besonders gilt das für den damit einhergehenden Beziehungsverlust sowie für herausforderndes Verhalten bei Menschen mit Demenz wie Unruhe oder Aggressivität.
Die Pflege kann sich zudem auf andere Bereiche des Lebens auswirken: So berichten pflegende Angehörige häufig über zu wenig Schlaf, freie Zeit und soziale Kontakte. Viele müssen Beruf, Pflege und Familie vereinbaren. Dann kann das Gefühl entstehen, keiner Rolle gerecht zu werden. Teilweise führt die Pflege auch zu finanziellen Problemen oder Zukunftsängsten. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn Angehörige die Arbeitszeit wegen der Pflege reduzieren.
Pflegende Angehörige fühlen sich durch die Pflege jedoch nicht alle gleich stark belastet: Das hängt zum Beispiel davon ab, wie gut die Pflegeperson die Beziehung zu der pflegebedürftigen Person empfindet oder wie positiv sie gegenüber der Pflegeaufgabe eingestellt ist. Pflegepersonen, die sich körperlich gut fühlen, nehmen sich als weniger gestresst wahr. Das gilt auch für ältere Menschen, gut Gebildete und Besserverdienende. Verschiedenen Studien zufolge wirken sich die Pflegedauer und das Ausmaß des Pflegebedarfs am stärksten negativ auf das Belastungsempfinden aus. Im Vergleich zu Männern fühlen sich pflegende Frauen etwas stärker von der Pflege belastet. Sie sind auch stärker in die Pflege eingebunden.
Pflegende Angehörige berichten darüber hinaus von stärkeren Belastungen, wenn sie mit der pflegebedürftigen Person in einem Haushalt leben. Jedoch kann es auch zu spezifischen Problemen führen, wenn sie nicht in der Nähe wohnen. So berichten die meisten pflegenden Angehörigen in einer ZQP-Studie, dass sie es als belastend empfinden, in Notsituationen nicht besser helfen zu können.
Eine andere Studie des ZQP belegt zudem: Pflegende Angehörige sind während der Corona-Pandemie zusätzlich erheblich belastet. Viele beunruhigt das Infektionsrisiko sowie die zusätzlichen Herausforderungen bei der Pflege, etwa wenn Versorgungsangebote wegfallen.
Es gibt aber auch Daten, die zeigen, dass die Pflegeverantwortung positive Wirkung haben kann: So wird die Pflege eines Angehörigen vielfach als Bereicherung für das eigene Leben empfunden. Die Pflegetätigkeit kann das Verhältnis zur pflegebedürftigen Person verbessern. Und die pflegebedürftige Person zu Hause gut versorgt zu wissen, kann Kraft geben. Viele ziehen ihre Kraft auch aus Anerkennung für die Pflegeleistung.
Welche Folgen können Belastungen haben?
Belastungen können unterschiedliche Folgen haben. Darauf weist eine Vielzahl an wissenschaftlichen Studien hin. In einer Befragung des ZQP beispielsweise berichteten 2018 viele pflegende Angehörige von Belastungssymptomen und negativen Gefühlen. Die Hälfte der rund 1000 Befragten erklärte zum Beispiel, häufig körperliche Beschwerden zu haben. Das sind beispielsweise Muskelverspannungen oder Rückenschmerzen. Mehr als ein Drittel war häufig niedergeschlagen und gut ein Viertel wütend oder verärgert. Mehr als die Hälfte berichtete zudem, dass sie zu wenig Zeit für sich oder gemeinsam mit anderen haben. Weitere Studien zeigen, dass das Risiko, eine Depression zu entwickeln, mit der Belastung der Pflegeperson zusammenhängt. Einer aktuellen bundesweiten Befragung zufolge weisen deutlich mehr informell Pflegende depressive Symptome auf als vor der Corona-Pandemie.
Pflegende von Menschen mit Demenz berichten häufiger als Pflegende von Menschen ohne Demenz davon, dass sie die Pflege viel Kraft kostet. Rund ein Drittel der bei Übernahme der Pflege berufstätigen Angehörigen von Menschen mit Demenz arbeitet weniger oder gar nicht mehr.
Solche Belastungen und Gefühle können zum Beispiel zu Frustration, Aggression und sogar zu Gewalt gegen pflegebedürftige Menschen führen. Pflegende Angehörige nutzen außerdem häufiger Schlaf- und Beruhigungsmittel als Nicht-Pflegende.
Um die Pflege dauerhaft bewältigen zu können, sollte das Verhältnis von Belastung und Entlastung daher möglichst ausgewogen sein.
Entlastung von der Pflege
Was kann zur Entlastung beitragen?
Was zur Entlastung pflegender Angehöriger beiträgt, ist von mehreren Faktoren abhängig. Dazu gehören beispielsweise die individuelle Lebenslage, eigene Bedürfnisse sowie der Pflegegrad der pflegebedürftigen Person. Im Allgemeinen fühlen sich Pflegende, die zum Beispiel informationelle, emotionale, soziale oder finanzielle Unterstützung erhalten, weniger belastet. Für manche wird es einfacher, wenn sie die Arbeitszeit reduzieren oder den Beruf ganz aufgeben. Andererseits kann es auch als entlastend empfunden werden, arbeiten zu gehen. Denn dies bietet einen Ausgleich zum Pflegealltag und ermöglicht Selbstbestätigung, soziale Kontakte und finanzielle Sicherheit. Individuelle Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber können dann hilfreich sein, etwa zu Home-Office oder flexiblen Arbeitszeiten. Außerdem gibt es gesetzliche Regelungen zur Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf wie die Familienpflegezeit.
Ein wichtiger Faktor ist die Beratung zur Pflege. Sie bietet zum Beispiel Informationen über Unterstützungsangebote oder finanzielle Hilfen. Gute Beratung vermittelt Wissen und Kompetenzen für die Pflege und trägt so dazu bei, Gesundheitsproblemen bei pflegebedürftigen Menschen, aber auch bei pflegenden Angehörigen vorzubeugen. Durch Pflegekurse und Schulungen können Pflegende mehr Sicherheit bei der Pflege gewinnen.
Neben der Beratung sieht die Pflegeversicherung eine Reihe von Leistungen vor, die unter anderem die Pflege erleichtern und einer Überlastung pflegender Angehöriger vorbeugen sollen. Dazu gehören zum Beispiel Hilfsmittel (§ 40 SGB XI) wie Pflegebett oder Duschhocker, das Pflegeunterstützungsgeld bei kurzzeitiger Arbeitsverhinderung (§ 44a SGB XI), der Entlastungsbetrag (§ 45b SGB XI) oder wohnumfeld-verbessernde Maßnahmen (§ 40 SGB XI). Weitere Angebote zur zeitweisen oder dauerhaften Unterstützung und Entlastung durch die Pflegeversicherung sind:
- Pflegehilfe durch Pflegedienste für die Pflege, Betreuung und Hilfe im Haushalt, z. B. wenn Angehörige Pflegemaßnahmen nicht übernehmen können oder möchten (§ 36 SGB XI)
- Ersatz-/Verhinderungspflege zu Hause durch andere Personen, z. B. während pflegende Angehörige im Urlaub sind (§ 39 SGB XI)
- Tages- oder Nachtpflege in einer teilstationären Einrichtung, z. B. wenn pflegende Angehörige berufstätig sind (§ 41 SGB XI)
- Kurzzeitpflege in einer vollstationären Einrichtung, z. B. wenn die Pflege zu Hause vorübergehend nicht möglich ist (§ 42 SGB XI)
- Angebote zur Unterstützung im Alltag, z. B. wenn Angehörige stundenweise verhindert sind (§ 45a SGB XI)
Darüber hinaus gibt es Angebote der Krankenkassen, der privaten Krankenversicherung oder der Rentenversicherung, die zur allgemeinen Gesundheitsförderung beitragen können. Dazu gehören unter anderem Angebote zum Thema gesunde Ernährung, Bewegung, Entspannung und Stressmanagement.
Psychische Entlastung bieten zum Beispiel örtliche Familienberatungsstellen von Kirchen und Nachbarschaftsvereinen an. Aber auch der Austausch mit anderen Menschen, die in derselben Situation sind, kann entlasten. Vielerorts haben sich daher spezielle Selbsthilfegruppen und Gesprächskreise für pflegende Angehörige etabliert. Diese und weitere Angebote werden zum Beispiel von Wohlfahrtsverbänden, Nachbarschaftsvereinen, Mehrgenerationenhäusern oder kommunalen Einrichtungen organisiert.
Mehr zur Entlastung erfahren Sie bei den Tipps zur Entlastung für Pflegende.
Wieso erreichen Angebote Pflegende nicht immer?
Die Angebote zur Unterstützung pflegender Angehöriger sind in Deutschland vielfältig. Aber sie sind auch regional unterschiedlich aufgebaut und verfügbar. Somit sind sie nicht immer für alle pflegenden Angehörigen gut zugänglich.
Daneben kann es sein, dass Angehörige keinen Zugang zu Informationen über bestehende Ansprüche bzw. Angebote haben. Mitunter sind sie zwar über Angebote informiert, nutzen sie aber trotzdem nicht. Gründe könnten zum Beispiel sein, dass sie keinen Bedarf sehen, keine Hilfe annehmen möchten oder Zweifel am Nutzen oder der Qualität haben. Vielfach möchte die pflegebedürftige Person nicht von anderen betreut werden. Pflegende Angehörige gaben in Befragungen zudem an, dass sie Angebote nicht nutzen, weil es ihnen organisatorisch zu aufwändig ist oder es zeitlich nicht passt.
QUELLEN
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AKTUALISIERT
am 28. November 2022
AUTORINNEN
L. Kühnlein, N. Möhr,
D. Sulmann, D. Väthjunker