Kognitive, das heißt geistige, Fähigkeiten sind wichtige Voraussetzungen, um möglichst lange selbstständig und selbstbestimmt zu leben. Gleichzeitig können einige dieser Fähigkeiten im Alter und bei Pflegebedürftigkeit nachlassen. Dann steigt auch das Risiko, an Demenz zu erkranken.
Gezielte körperliche und geistige Aktivität sowie soziale Kontakte können helfen, die Kognition möglichst lange zu erhalten – oder zu verbessern. Ebenso ist eine gesundheitsförderliche Lebensweise bedeutsam. Das bedeutet, nicht zu rauchen, wenig Alkohol zu trinken und Übergewicht zu vermeiden. Dies trägt zudem dazu bei, Demenz vorzubeugen. Das gilt auch für hochaltrige und pflegebedürftige Menschen.
Bewegung fördern
Regelmäßige Bewegung – insbesondere in Form von Ausdauer- und Koordinationstraining – wirkt sich positiv auf kognitive Fähigkeiten aus. So können Sie pflegebedürftigen Menschen helfen, sich im Alltag zu bewegen:
- Unterstützen Sie die pflegebedürftige Person, möglichst viel selbst zu tun, etwa beim Essen, Anziehen oder bei der Körperpflege.
- Regen Sie dazu an, täglich körperlich aktiv zu sein, z. B. ein paar Schritte zu gehen. Hilfreich sind auch vertraute Tätigkeiten wie gemeinsam den Tisch zu decken.
- Informieren Sie sich über geeignete Übungen, um gezielt Ausdauer, Kraft, Koordination und Gleichgewicht zu trainieren. Geeignet sind beispielsweise Radfahren, z. B. auf dem Ergometer, oder ein möglichst zügiger Spaziergang. Für weniger mobile Personen bieten sich Übungen mit dem Rollator oder Sitzgymnastik an. Das Training sollte möglichst moderat körperlich anstrengend sein. Idealerweise sollte der Körper etwa 3-mal wöchentlich für mindestens 60 Minuten leicht ins Schwitzen gebracht werden.
- Planen Sie mit der pflegebedürftigen Person feste Zeiten für Bewegungsübungen ein.
- Achten Sie darauf, dass die Übungen zu den körperlichen Möglichkeiten und Interessen passen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Übungen langfristig und regelmäßig durchgeführt werden.
- Leiten Sie an oder machen Sie Bewegungsabläufe vor. Üben Sie auch gemeinsam, wenn das möglich ist.
- Motivieren Sie zu Bewegung, aber ohne zu drängen oder zu überreden. Akzeptieren Sie, dass Motivation und Fähigkeiten auch von der Tagesform abhängen.
- Fragen Sie bei der Physiotherapie oder Ergotherapie, wie Sie bei Bewegungsübungen anleiten können.
- Informieren Sie sich über örtliche Bewegungsangebote, beispielsweise Seniorensportgruppen.
Weitere Informationen und Anregungen hierzu finden Sie in unseren Tipps zur Bewegungsförderung.
Geistige Beschäftigungen anbieten
Durch geistige Beschäftigung und Anregung werden bestimmte Areale im Gehirn aktiviert. Dies könnte dazu beitragen, kognitive Fähigkeiten zu erhalten und das Demenzrisiko zu senken. Einige Ideen:
- Bieten Sie Lektüre an, die für die pflegebedürftige Person interessant ist. Achten Sie darauf, dass benötigte Lesehilfen wie Brille, Vergrößerungsglas oder Leselampe zur Hand sind.
- Lesen Sie etwas vor, z. B. aus der Zeitung oder aus Büchern.
- Suchen Sie ein informatives, den Interessen entsprechendes Radio- oder Fernsehprogramm heraus. Unterstützen Sie die pflegebedürftige Person dabei, die Sendung zu hören oder zu sehen.
- Tauschen Sie sich über Neuigkeiten aus den Medien oder über Buchinhalte aus.
- Bieten Sie Denkspiele an, z. B. Knobelaufgaben, Sudoku, Wortspiele oder Geräusche erraten.
- Spielen Sie gemeinsam Spiele, bei denen man etwas nachdenken muss. Dafür eignen sich Bilder-Memory, Dame, Mühle, Karten, Puzzle oder auch Schach.
- Regen Sie zum Schreiben an, beispielsweise eine Postkarte.
- Motivieren Sie zum Kopfrechnen, etwa beim Einkaufen.
- Weichen Sie gelegentlich von Routinen ab. Schlagen Sie etwa einen anderen Heimweg ein oder besuchen Sie einen neuen Supermarkt. Das ist aber nur sinnvoll, wenn die Person nicht an Demenz erkrankt ist.
- Ermuntern Sie dazu, sich an ein paar Worte oder Sätze einer früher erlernten Fremdsprache zu erinnern.
- Bieten Sie kreative Beschäftigungen wie Zeichnen, Malen oder Basteln an.
- Informieren Sie sich über Bildungsangebote von Volkshochschulen oder anderen Bildungseinrichtungen sowie kulturelle Veranstaltungen. Machen Sie der pflegebedürftigen Person Vorschläge und unterstützen Sie, daran teilzunehmen.
- Nutzen Sie gezielte Trainings, um die Kognition zu fördern. Informieren Sie sich über solche Angebote z. B. bei der Krankenkasse oder privaten Krankenversicherung. Möglicherweise kommen auch Trainings am Computer, Tablet oder Smartphone infrage.
Geistige und körperliche Tätigkeiten kombinieren
Eine vielversprechende Methode, um geistige Fähigkeiten zu trainieren, ist das sogenannte Dual-Task-Training. Damit lässt sich möglicherweise auch eine Demenzerkrankung hinauszögern. Bei diesem Training werden zwei Tätigkeiten gleichzeitig ausgeführt. Die folgenden Tipps geben Anregungen für solche Übungen:
- Beziehen Sie die pflegebedürftige Person regelmäßig in den Haushalt ein. Hierfür bieten sich z. B. Wäsche zusammenlegen und sortieren, Essen zubereiten oder Nähen an. Unterhalten Sie sich dabei.
- Regen Sie beim Spazierengehen zum Gespräch an – möglichst ohne stehen zu bleiben.
- Versuchen Sie gemeinsam beim Einkaufen an alles zu denken, ohne auf die Einkaufsliste zu schauen.
- Tanzen Sie gemeinsam nach einer vorab festgelegten Bewegungsreihenfolge.
- Setzen Sie gemeinsam ein Projekt um, bei dem erlernte Fähigkeiten, Planung und Kreativität gefragt sind, z. B. ein Vogelhaus bauen, etwas basteln, nähen.
- Oder rechnen sie gemeinsam etwas aus, etwa: Wie viele Pakete Holzfliesen müssen gekauft werden, um einen neuen Balkonboden verlegen zu können? Wie viele Kilometer reicht die Tankfüllung noch?
- Regen Sie zu gezielten Dual-Task-Aufgaben an, z. B.: Wörter rückwärts buchstabieren oder in Dreierschritten abwärts zählen, während Bewegungsübungen durchgeführt werden, etwa auf der Stelle gehen. Oder: Städte, Länder oder Tiere mit einem bestimmten Anfangsbuchstaben aufsagen und sich dabei gegenseitig einen Ball oder Luftballon zuspielen.
- Motivieren Sie bei den Übungen durch Zuspruch und Lob.
- Verringern Sie wenn nötig den Schwierigkeitsgrad der Übungen. Die Aufgaben können in dem Fall z. B. kurz nacheinander durchgeführt werden.
- Führen Sie diese Übungen möglichst gemeinsam oder idealerweise in einer Gruppe durch. Lassen Sie sich zu geeigneten Gruppenangeboten beraten.
Kontakte fördern
Regelmäßige persönliche Kontakte und soziale Unterstützung können sich positiv auf kognitive Fähigkeiten auswirken. Andersherum erhöht fehlender Austausch mit anderen das Risiko für kognitive Einschränkungen und Demenz im Alter. So können soziale Kontakte bei pflegebedürftigen Menschen gefördert werden:
- Achten Sie darauf, dass das Telefon gut erreichbar ist. Die pflegebedürftige Person sollte jederzeit telefonieren können. Wenn nötig, besorgen Sie ein Telefon mit größeren Tasten. Stellen Sie die Hörer-Lautstärke passend ein.
- Sorgen Sie bei Bedarf für eine geeignete Brille oder ein Hörgerät.
- Unterstützen Sie die pflegebedürftige Person dabei, aktiv Kontakte zu pflegen, etwa zu Angehörigen, Bekannten, Nachbarn.
- Helfen Sie, Besuche zu organisieren.
- Richten Sie digitale Technik wie Video-Telefonie ein. Leiten Sie die pflegebedürftige Person an, diese zu nutzen.
- Ermöglichen Sie es, gewohnte Termine beizubehalten, etwa den Friseurbesuch, den Gymnastikkurs oder den Bingo-Nachmittag.
- Ermöglichen Sie es der pflegebedürftigen Person, sich soweit möglich aktiv einzubringen. Das kann etwa das gemeinsame Kochen für die Familie sein – oder bei der Dekoration für den Nachbarschaftstreff mitzuhelfen.
- Informieren Sie sich über Veranstaltungen, die in Ihrer Nähe stattfinden und für die pflegebedürftige Person interessant sein könnten. Ermutigen Sie sie – sofern während der Pandemie möglich – daran teilzunehmen.
- Organisieren Sie, wenn nötig, einen Fahrdienst speziell für immobile Menschen. Adressen finden Sie unter anderem bei einer Pflegeberatungsstelle.
Auf die Ernährung achten
Auch die Ernährung hat Einfluss auf kognitive Fähigkeiten. Vitamin- und anderer Nährstoffmangel können beispielsweise Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen verursachen. Mit einem ausgewogenen Ernährungsangebot können Sie pflegebedürftige Menschen unterstützen.
Dazu gehören:
- täglich Obst und Gemüse – ideal sind zwei Portionen Obst und drei Portionen Gemüse in der Größe einer Handfläche, am besten roh oder nur kurz gedünstet, denn so bleiben wichtige Vitamine und Nährstoffe erhalten
- Hülsenfrüchte wie Bohnen, Erbsen und Linsen
- Vollkornprodukte wie Vollkornbrot, Naturreis, Vollkornnudeln und Haferflocken
- mehrmals in der Woche Oliven, Nüsse, Avocado oder Fisch
- mindestens 1,5 Liter Flüssigkeit täglich – beachten Sie dabei aber die ärztlich verordnete Trinkmenge pro Tag
Verwenden Sie
- pflanzliche Streichfette und Öle wie Raps-, Oliven- oder Leinöl
- zum Würzen lieber Kräuter als Salz
- wenig Zucker und zuckerhaltige Produkte
- wenig fettiges Fleisch, Schmalz, Butter, Sahne, Käse, Palm- und Kokosöl
- wenig Fertiggerichte, Fast-Food und frittiertes Essen
Fachlichen Rat einholen
Fachleute können helfen, Risikofaktoren für kognitive Einschränkungen und Demenz frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Deshalb:
- Sorgen Sie dafür, dass die Hörfähigkeit bzw. die Hörgeräte regelmäßig kontrolliert werden. Schwerhörigkeit erhöht das Risiko für geistigen Abbau.
- Holen Sie ärztlichen Rat ein, wie Sie die geistigen Fähigkeiten der pflegebedürftigen Person fördern können.
- Lassen Sie sich auch Übungen erläutern und fragen Sie, wie diese im Alltag umgesetzt werden können. Fragen Sie dazu z. B. bei der Ärztin oder beim Arzt, der Pflegefachperson, der Ergotherapie oder der Physiotherapie nach.
- Informieren Sie sich bei den Fachleuten auch über geeignete Gruppenangebote zur Förderung der Kognition.
- Besprechen Sie sich mit der Hausärztin oder dem Hausarzt, wenn Sie bemerken, dass sich die kognitiven Fähigkeiten der pflegebedürftigen Person verschlechtern. Treten z. B. vermehrt Desorientierung oder Sprachstörungen auf? Fällt es des Öfteren schwer, sich beim Spazierengehen auf eine einfache Unterhaltung zu konzentrieren – ohne stehen zu bleiben?
- Besuchen Sie mit der pflegebedürftigen Person eine sogenannte Gedächtnissprechstunde, wenn Sie beobachten, dass die Merkfähigkeit schlechter wird. Adressen finden Sie auf der Webseite der Deutschen Alzheimer Gesellschaft oder in der Liste der Alzheimer Forschung Initiative.
- Lassen Sie auch ärztlich abklären, wenn die pflegebedürftige Person ungewollt Gewicht verliert oder wesensverändert ist.
- Achten Sie auf regelmäßige ärztliche Untersuchung. Einige chronische Erkrankungen können unbehandelt zu kognitiven Beeinträchtigungen führen, z. B. Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Herz-Rhythmus-Störungen.
- Informieren Sie sich über Vorsorgeangebote wie Gesundheits-Checks und Präventionskurse. Informationen erhalten Sie z. B. bei der Krankenkasse bzw. privaten Krankenversicherung und in der ärztlichen Praxis.
QUELLEN
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AKTUALISIERT
am 26. August 2021
AUTOREN
S. Garay, M. Haeger,
N. Kossatz, L. Kühnlein,
D. Sulmann